Rab, die Hauptstadt der gleichnamigen Insel, hätte durchaus das Zeug dazu, neben Plečniks Laibach weit oben auf der Exkursionszielliste für angehende Städtebauer, ja für alle Adepten der Baukunst einen Platz zu beanspruchen. Vom Meer her gesehen wird eine großartigere Silhouette als das Panorama der vier in rhythmisierten Abständen auf hohem Fels gebauten Kirchtürme schwerlich zu finden sein, und auch die stadträumlichen Qualitäten, die Mittelalter und frühe Neuzeit dem Schema der römischen Militärstadt überstülpten, düften sich besser kaum finden lassen, wie auch die venezianische délicatesse der Bautenzier.
Im Zentrum der römischen Stadt wurde unter venezianischer Herrschaft im angehenden cinquecento die Stadtloggia gebaut. Ein Plan des antiken Arbia läßt sich nicht auftreiben, und so ist schwer auszumachen, ob man zu Recht vermutet, dieser dezidiert öffentliche Raum liege am Schnittpunkt von cardo und decumanus maximus, sei also über dem antiken forum errichtet und somit ein schönes Exempel urbanistischer Kontinuität.
Das ist jedoch längst nicht alles. Die Platzwände von ausgesprochener Heterogenität werden von innen zu einem geschlossenen und umschließenden Panorama zusammengezogen, sind jedoch von außen gesehen Teil des vielfältigen Geflechts von Gassen, als welches das urbane Gefüge ganz allgemein wahrgenommen wird und von dem aus dieser zentrale Ort auf die vielfältigste Weise erschlossen ist. Die Rafinesse wird auf die Spitze getrieben durch die subtile Rhythmisierung der Säulenstellung, die sich nicht an klassischen Vorbildern orientiert, sondern viel eher an Chorschranken wie etwa in Santa Maria delle Grazie in Grado oder in Santa Maria Assunta in Torcello denken läßt. Die Dünnheit der Glieder bekräftigt diese Verwandtschaft.
Die Stiefel also geschmiert und das Ränzlein geschnürt und auf nach Rab! Und beide Augen zugedrückt, wenn der Unmut überhand nehmen will ob der Tatsache, daß man vor den verschlossenen Kirchenportalen mit Photographien des Inneren abgespeist wird und ob des Mißmuts, wenn der Markt aus nichts als einer Reihe von Andenkenständen besteht und ob der Melancholie beim Betrachten der Zeichen vergangenen Bürgerstolzes und ob der Erkenntnis, daß alles hier nur noch eine touristische Nutzung kennt – die Stadtloggia ist nur noch eine Erinnerung an den öffentlichen Raum, der sie einst war: Es hat sich ein Restaurant eingenistet, das wohl kaum ein Raber je besuchen wird, mit allerdings passablem Wein.