Eine kurzer urbanistischer Ausflug

Rab, die Hauptstadt der gleichnamigen Insel, hätte durchaus das Zeug dazu, neben Plečniks Laibach weit oben auf der Exkursionszielliste für angehende Städtebauer, ja für alle Adepten der Baukunst einen Platz zu beanspruchen. Vom Meer her gesehen wird eine großartigere Silhouette als das Panorama der vier in rhythmisierten Abständen auf hohem Fels gebauten Kirchtürme schwerlich zu finden sein, und auch die stadträumlichen Qualitäten, die Mittelalter und frühe Neuzeit dem Schema der römischen Militärstadt überstülpten, düften sich besser kaum finden lassen, wie auch die venezianische délicatesse der Bautenzier.

Im Zentrum der römischen Stadt wurde unter venezianischer Herrschaft im angehenden cinquecento die Stadtloggia gebaut. Ein Plan des antiken Arbia läßt sich nicht auftreiben, und so ist schwer auszumachen, ob man zu Recht vermutet, dieser dezidiert öffentliche Raum liege am Schnittpunkt von cardo und decumanus maximus, sei also über dem antiken forum errichtet und somit ein schönes Exempel urbanistischer Kontinuität.

Der kleine Platz, wenig mehr als 12 Meter im Geviert, ist nunmehr weitgehend eingenommen von einer leichten offenen Halle, die mit Schranken und darauf gesetzten schlanken Säulen einen überdachten Raum von etwa 8 x 9 Metern bildet, von annähernd quadratischem Grundriß also, was eine durchaus ambivalente Festlegung des städtischen Raums zur Folge hat. Herrscht nämlich von außen betrachtet, also von den schmalen gassenartigen Flächen zwischen Loggia und umgebenden Platzwänden her der Eindruck eines den Ort besetzenden konsistenten Bauwerks vor, so entsteht vom Innern der Loggia aus der Eindruck eines nicht durch die Säulen, sondern durch die hinter ihnen liegenden Platzwände bestimmten Raums, der sich mit der vorgelegten Säulenstruktur wie die Inversion eines Kreuzgangs ausmacht. Was hierzu entscheidend beiträgt, ist die Enge der zwischen Säulen und Wänden freibleibenden Flächen unterschiedlichsten Zuschnitts, die diese und jene in eine unmittelbare Beziehung setzen. Betreiben also Säulen und Schranken von außen her betrachtet eine Ausgrenzung der Loggia, so vom Inneren aus das genaue Gegenteil.

Das ist jedoch längst nicht alles. Die Platzwände von ausgesprochener Heterogenität werden von innen zu einem geschlossenen und umschließenden Panorama zusammengezogen, sind jedoch von außen gesehen Teil des vielfältigen Geflechts von Gassen, als welches das urbane Gefüge ganz allgemein wahrgenommen wird und von dem aus dieser zentrale Ort auf die vielfältigste Weise erschlossen ist. Die Rafinesse wird auf die Spitze getrieben durch die subtile Rhythmisierung der Säulenstellung, die sich nicht an klassischen Vorbildern orientiert, sondern viel eher an Chorschranken wie etwa in Santa Maria delle Grazie in Grado oder in Santa Maria Assunta in Torcello denken läßt. Die Dünnheit der Glieder bekräftigt diese Verwandtschaft.

Auf weiteres wäre noch hinzuweisen, etwa auf die die ganz unterschiedlichen Charaktere der fünf Straßen oder Gassen, die um die Loggia herum zu einem Knoten geschürzt sind, oder darauf, wie es wohl wäre, unter dieser Loggia während eines Wolkenbruchs zu sitzen und es so in Teilen des Inneren regnen zu sehen – ein wenig vielleicht wie bei der Wassersäule in der Mitte des Pantheons.

Die Stiefel also geschmiert und das Ränzlein geschnürt und auf nach Rab! Und beide Augen zugedrückt, wenn der Unmut überhand nehmen will ob der Tatsache, daß man vor den verschlossenen Kirchenportalen mit Photographien des Inneren abgespeist wird und ob des Mißmuts, wenn der Markt aus nichts als einer Reihe von Andenkenständen besteht und ob der Melancholie beim Betrachten der Zeichen vergangenen Bürgerstolzes und ob der Erkenntnis, daß alles hier nur noch eine touristische Nutzung kennt – die Stadtloggia ist nur noch eine Erinnerung an den öffentlichen Raum, der sie einst war: Es hat sich ein Restaurant eingenistet, das wohl kaum ein Raber je besuchen wird, mit allerdings passablem Wein.

Denn wenigstens ist all dies noch vorhanden und wird gehegt und gepflegt und täglich aufs niedlichste herausgeputzt, mag der Zweck, dem sich dies verdankt, uns, die wir uns nur mit Zähneknirschen unter die Touristen zählen lassen mögen, auch wenig behagen.
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