Be vulgar, by all Means!

Unfaithfully Yours, einer der späteren Filme von Preston Sturges, enthält eine der präzisesten Aussagen wenn nicht gar zur Ästhetik des Films an sich, so zumindest zum ästhetischen Programm des Regisseurs selbst, eines Mannes, von dem man annehmen kann, daß er wie wenige andere sein Tun kritisch reflektierte. Viele seiner Filme, am explizitesten wohl Sullivan’s Travels, sind genaue Bestimmungen der Beziehung zwischen Hoch- und Populärkultur, und sie akzeptieren, in guter angelsächsischer Tradition, eine Scheidelinie nicht. Rex Harrison spielt in besagter screwball comedy einen Dirigenten, dem während einer Orchesterprobe von Rossinis Semiramide-Ouverture vom Mann mit den Becken auf die Forderung nach mehr Einsatz die Frage But wouldn’t that be vulgar? […] As a small boy I was learned always never to be vulgar! gestellt wird, was der Maestro mit dem Ausruf beantwortet: Be vulgar, by all means! Der folgende Einsatz des Schlagwerks wie auch die gesamte filmische Darlegung des Musikstücks könnten lustvoller nicht sein, was noch dadurch unterfüttert wird, daß der Dirigent sich während des Dirigierens eine Zigarette ansteckt. Hätte die Popart sich je zur Bewegung formiert und wäre öffentlich aufmarschiert, ein besseres Banner hätte sie nicht vor sich her tragen können.

Das Vulgäre als eine Form der Subtilität mag es sein, was Sturges antrieb, ein Konzept, das geradewegs an kunsttheoretische Überlegungen der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts anschließt und aus dem auch ein Unbehagen an einer Kunst sprechen mag, der die Basis einer breiten Rezipierbarkeit verlorengegangen war. Denn es mangelt den Filmen Sturges’ ja beileibe nicht an Subtilität und Raffinesse, sie sind nur, hierin den Stücken Shakespeares oder dem Don Quijote vergleichbar, ohne weiteres auch von einem Publikum rezipierbar, das eben nicht zu den gebildeten oder sonstwie privilegierten Ständen zählt und das nicht weniger ernstgenommen wird.
Das Vulgäre wäre hier also nicht ausgegrenzt, sondern Teil der Synthese des Kunstwerks. Nun sind wir aber gerade in Dubrovnik, und hier läßt sich Sturges’ Kampfruf in einem ganz anderen Sinn auffassen, nämlich als eine neue Devise, die sich die Stadt auf ihr Wappen geschrieben hat. Man ist geneigt, hier eine Art urbaner Schizophrenie zu diagnostizieren, die sich auch noch griffig benennen läßt, eine Aufspaltung in Dubrovnik und Ragusa. Denn ist all das, was die Qualität der alten Stadt ausmacht – und diese Qualität ist eine überwältigende, verstummen machende, und man steht fassungslos vor ihr und fragt sich, wie etwas derartiges hat entstehen können – ist also all dies der alten, untergegangenen Republik Ragusa zuzuordnen, so wäre das, was sich in seiner vulgären Masse durch die Gassen und über die Plätze wälzt und sich in der Stadt einnistet wie die bösartige außerirdische Schabe aus Men in Black in der Haut des armen Bauern Edgar, Dubrovnik. Freilich, man weiß es, ist man auch selbst unter die Touristen zu zählen, doch wird einem hier deutlich, daß man zu dem, womit man sich konfrontiert sieht, nicht nur nicht gehören will, sondern auch tatsächlich nicht gehört. Denn es sind auch Formen der touristischen Betrachtung denkbar, die das Betrachtete nicht zur Staffage und zur Kulisse degradieren und es eben nicht der Vulgarität preisgeben. Was jedoch hier stattfindet, ist eine feindliche Übernahme, eine Inbesitznahme vermittels einer doppelten Obszönität – zum einen der obszönen Unangemessenheit des bloßen Hierseins und Verhaltens, zum anderen durch die Obszönität des touristisch-vulgären Blicks, der alles mit der ölig-schleimigen Substanz überzieht, die uns aus Horrorfilmen wie Alien vertraut ist. Zwar ist alles aufs schönste herausgeputzt, doch gibt es Formen des Herausputzens, die eigentlich ein Schinden sind, oder auch eine Schändung. 
Zwei Filme trugen das Ihre und vielleicht Entscheidende zur endgültigen Vulgarisierung Ragusas bei, die zweite Staffel von Game of Thrones und die achte Folge von Star Wars, für deren Dreharbeiten die Stadt einigermaßen befremdlich hergerichtet wurde. (Daß einige Sequenzen von Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten hier ganz in der Nähe gedreht wurden, lockt wohl kaum mehr jemanden hinterm Ofen vor.) Dem Tourismus gab dies den letzten boost, und so ist es nun für die jeweiligen aficionados und –nadas eine Pflichtübung, hierherzureisen und sich an den einschlägigen, aus den Filmen vertrauten Orten vermittels selfie der Wirklichkeit des Hiergewesenseins zu versichern, häufig mit Schwertern und in Zweikampfposen, gelegentlich, wenn auch seltener, im mitgebrachten cosplay-Kostüm.