Die dreitägige festa del redentore ist eines der attraktivsten Ereignisse, die Venedig zu bieten hat: Seit 1577 werden die Feierlichkeiten jährlich am dritten Wochenende im Juli abgehalten, zum Dank für die Elösung von der großen Pestepidemie, die drei Jahre lang in der Stadt gewütet hatte (und der unter anderem auch Tizian zum Opfer gefallen war, samt seinem Sohn). Eine Schiffbrücke wird am Freitag von Zattere aus hinüber zur Giudecca geschlagen, am Samstag kurz vor Mitternacht auf dem Bacino di San Marco ein großes Feuerwerk abgebrannt, und am Sonntag schließlich werden drei Regatten abgehalten, mit pupparini und zweirudrigen Gondeln.
Hier also soll, wurde uns gesagt, die Gondel der Zuknft vorgestellt werden – ein Vorhaben, von dem die venezianischen Patrioten naturgemäß nicht sehr erfreut sein können. Wie auch wir, die geneigt sind, eine derartige Manifestation des »Fortschrotts« (Sissi Tax) als einen neuen Beweis für den multiplen Untergang Venedigs zu nehmen. Da war es uns dann eine Beruhigung, als wir erfuhren, daß es sich bei der fraglichen Aktion lediglich um ein Kunstprojekt handeln soll.
Marinetti übrigens hatte in den Zwanzigerjahren eine andere Vorstellung von der Zukunft der Gondel und Venedigs: Er schlug vor, die Kanäle allesamt zuzuschütten und die Gondeln durch Elektrotaxis zu ersetzen.
Nachtrag. Eine hübsche Pointe ergab sich heute nachmittag, nach Abschluß obenstehenden Textes: Stand gestern, beim ersten versuchsweisen Einsatz der Plastikgondel, ein junger gondoliere an der forcola, so übernahm heute ein älterer, eher unbeholfener Herr von etwas öligen Anstrichs seinen Platz – der junge fürchtete um seinen Ruf, befürchtete gar den Ausschluß aus der Gondolierenzunft. Doch auch der alte, der die Gondelfahrerei nur als Hobby betreibt, stand bloß heute für den zweiten Probelauf zur Verfügung, denn auch ihm scheint wohl der Traditionsbruch ein zu heißes Eisen. Für das Ereignis selbst am morgigen Abend muß somit noch jemand gefunden werde, der den remo führt, und es ist alles andere als sicher, ob sich einer traut. — Es wird übrigens kolportiert, die Familie Manin, Nachfahren des Ludovico Manin, des letzten Dogen, finanziere die ganze Unternehmung.