Smederevo, am Zusammenfluß von Donau und Jezava gelegen, war 1428 von dem Despoten Đurađ Branković als neue Hauptstadt Serbiens gegründet worden, nachdem dieser Belgrad hatte an Ungarn abtreten müssen. Die ausgedehnten Befestigungsanlagen, die er im folgenden Jahrzehnt aufführen ließ, sind unverkennbar am Vorbild der Theodosianischen Mauer orientiert, die Konstantinopel tausend Jahree lang zuverlässig vor allen Anstürmen geschützt hatte – nicht nur Form und Anlage, sondern auch die Kombination von Stein und Ziegel folgen dem antiken Modell, letztere jedoch in einer Weise, die die Vermutung nahelegt, es sei entweder der Sinn nicht verstanden worden, nämlich die Erhöhung der Zugfestigkeit der steinernen Mauer durch in regelmäßigen Abständen angeordnete horizontale Ziegelbänder, oder aber es hätten die Erbauer vom Vorbild nur durch Hörensagen Kenntnis gehabt, sind doch die Ziegel bloß einer ornamentalen Wirkung halber in das im übrigen recht grobe Mauerwerk eingefügt, schließen sich an einer Stelle gar zu einer Inschrift zusammen, ohne je als Verband statisch wirksam werden zu können. Ein hübsches Beispiel einer architecture parlante hat man hier also vor sich, ein Bauwerk, das in diesem einen Aspekt nicht anders als zeichenhaft ein anderes beschwört, die Materialwahl ihres konstruktiven Sinns entkleidet und rhetorisch auf die Brauchbarkeit als Zeichen beschränkt.
Man mag es für eine Ironie der Geschichte nehmen, daß die Zeichen der Zeit nicht erkannt wurden – das Modell der Theodosianischen Mauer hatte ausgedient, das unbestreitbare Meisterwerk der antiken Befestigungskunst sich einem entschiedenen Angriff mit den sich rasch entwickelnden Feuerwaffen gegenüber als unzulänglich erwiesen – am 29. Mai 1453 nahmen die Truppen Mehmets II., des Eroberes, Konstantinopel ein und setzten dem Byzantinischen Reich ein Ende. Überraschend kann dies nicht gekommen sein: Schon zu Beginn des Jahrhunderts waren Kanonen gegossen worden, mit deren Hilfe aus einer Distanz von einem Kilometer Mauern von drei Metern Dicke zum Einsturz hatten gebracht werden können. So war auch der Nutzen der beeindruckenden Befestigung von Smederevo ein begrenzter; ungeachtet der Inschriften auf den zahlreichen Tafeln, die heute in Serbisch und Englisch mit patriotischem Stolz davon künden, die Anlage, deren Bedeutung tief im serbischen Nationalgefühl verankert zu sein scheint, sei auf lange Jahre hinaus das wichtigste Bollwerk gegen die osmanische Expansion gewesen, gerieten Stadt und Festung bereits 1439 in die Hände des Sultans, allerdings nicht durch Kanonade, sondern durch Aushungern, fielen fünf Jahre später durch die Vereinbarungen des Friedens von Szeged wieder an Branković, um schließlich nach mehrmaliger Belagerung 1459 abermals von den Truppen Mehmets eingenommen zu werden, diesmal auf Dauer – was das Ende des Serbischen Reichs besiegelte.