Gewalttätiges aus Zadar

Jacopo Tintoretto, Battaglia di Zara, Sala dello Scrutinio, Palazzo Ducale, Venedig.

Die sala dello scrutinio im Dogenpalast ziert ein großes Gemälde von Tintoretto, eine wüste Schlachtenszene, La conquista di Zara betitelt. Dargestellt ist die 13tägige Belagerung von Zadar im Jahr 1202, die mit der Einnahme und, wie es sich gehörte, Plünderung und mit Ausnahme der Kirchen nahezu vollständigen Zerstörung der Stadt endete und sie in venezianischen Besitz brachte, allerdings nur bis 1242. Danach ging es hin und her, die Herrschaft wechselte häufig, bis schließlich Ladislaus von Neapel, der 1403 in Zadar zum kroatisch-ungarischen König gekrönt worden war, 1409 die Stadt samt seiner Rechte auf Dalmatien für 100.000 Dukaten an die serenissima verkaufte. In deren Besitz sollte sie bis 1797 bleiben, bis also das venezianische Staatswesen sein Ende nahm.

Die Vorgeschichte der von Tintoretto dargestellten Szene ist bemerkenswert. Seit dem Anfang des zwölften Jahrhunderts hatte Venedig wiederholt, doch mit geringem Erfolg versucht, sich die Herrschaft über Zadar dauerhaft anzueignen, ohne dessen Besitz die Herrschaft über die Adria keine vollständige sein konnte. Als schließlich 1198 von Innozenz III. der Vierte Kreuzzug ausgerufen wurde, mit dem Ziel, Ägypten den Händen der Ungläubigen zu entreißen, die Unternehmung jedoch infolge zu geringer Beteiligung sich zu einem Fiasko auszuwachsen drohte und insbesondere Venedig, das sein ganzes wirtschaftliches Gewicht in die Waagschale geworfen hatte, sich vor dem Staatsbankrott stehen sah, gelang es der serenissima, das Interesse der frommen Krieger auf ein anderes Ziel umzulenken und die beträchtlichen vorgestreckten Mittel durch die Plünderung des seit langem begehrten Zadar zurückzugewinnen, bemerkenswerterweise einer Stadt der Christenheit. Nicht allen Teilnehmern am Kreuzzug schien ein solches Vorgehen mit der christlichen Überzeugung vereinbar zu sein, doch Venedig setzte sich durch, und nach erfolgreicher Einnahme und Brandschatzung Zadars zog man weiter und stand zwei Jahre später vor den Mauern von Konstantinopel, trug auch von dort reiche Beute heim und scherte sich nicht um die katastrophalen Folgen.

Venedig, Santa Maria Zobenigo, Die venezianischen Festungsanlagen von Zadar, 1680-83.

Doch schon lange bevor Venedigs begehrliches Auge auf Zadar gefallen war muß es hier recht gewaltsam zugegangen sein. Rom hatte sich die Stadt im 2. vorchristlichen Jahrhundert unterworfen, später ging die Herrschaft an Byzanz über, danach gaben sich Franken, Kroaten und Ungarn die Tür in die Hand, und man kann sicher sein, daß es dabei kaum je friedlich zugegangen sein wird. — Immerhin wurden unter der langen, fast vierhundertjährigen Herrschaft Venedigs erfolgreich die wiederholten Versuche der Türken abgewehrt, Zadar einzunehmen. Nach dem Ende der serenissima geriet die Stadt zunächst für einige wenige Jahre unter österreichische Herrschaft, fiel 1805 an das französische Kaiserreich, wurde jedoch 1813 nach sechstägiger Beschießung zurückgewonnen und blieb bis zum Ende des Ersten Weltkriegs Teil der k.u.k. Monarchie.

Nun – auch das 20. Jahrhundert muß sich in der Geschichte der Gewalttaten nicht verstecken. 1920 wurde im Grenzvertrag von Rapallo neben Triest, Istrien und Teilen des Küstengebiets auch die Stadt Zadar, deren Einwohnerschaft zu gut zwei Dritteln aus Italienern bestand, Italien als Exklave im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, dem späteren Jugoslawien zugesprochen. Die unter Mussolini energisch betriebene Italianisierungspolitik beinhaltete die systematische Aushungerung der überwiegend kroatischen Landbevölkerung, deren gezielte Vertreibung sowie die Inbesitznahme des Landes durch italienische Siedler. Dies sollte sich später, am Ende des Zweiten Weltkriegs, bitter rächen, doch blieb Zadar, das, wie schon zuvor von den Venezianern, als es gegen die Türken ging, nun abermals zur Festung ausgebaut worden war, vorläufig fest in italienischer Hand, wurde im April 1941 zum ersten Mal aus der Luft angegriffen, von der jugoslawischen Luftwaffe, zunächst noch mit übeschaubaren Schäden. Nach dem Zusammenbruch der italienischen Armee im September 1943 übernahm nach wenigen Tagen, während derer die Stadt von Partisanen befreit oder auch besetzt worden war (eine Sache der Perspektive, wenn man die Bevölkerungsstruktur betrachtet), die 114. Infantriedivision der Wehrmacht die Kontrolle. Die Stadt blieb unter lokaler italienischer Verwaltung unter deutschem militärischem Schutz. Kurze Zeit später setzten die alliierten Luftangriffe ein, die während des folgenden Jahres andauerten und Zadar nahezu vollständig in Schutt und Asche legten, und dies, obwohl die Stadt, in mancher Hinsicht Dresden vergleichbar, von nur geringer militärischer Bedeutung war und über keine kriegswichtige Industrie verfügte – eines der wichtigsten Unternehmen scheint die Destillerie der Gebrüder Luxardo gewesen zu sein, die den Maraschino produzierte.

Alliierter Bombenangriff auf Zadar, 1944.
Die Bombardements endeten am 31. Oktober 1944, dem Tag, an dem Titos Partisanen in die Stadt einmarschierten und ihr Schreckensregiment begannen. Belastbare Zahlen gibt es nicht, und ob, wie von italienischer Seite gelegentlich behauptet, ein Genozid stattfand, läßt sich nicht ermitteln. Tatsache scheint zu sein, daß die siegreichen Partisanen mit Liquidationen keineswegs zimperlich waren und nicht zuletzt gegen Zivilisten mit äußerster Grausamkeit vorgingen – ein mehr als unrühmliches Kapitel im von den Siegern so heroisch verbrämten Partisanenkrieg. Wer nicht umgebracht worden war, wurde vertrieben und konnte von Glück sagen, wenn er Italien lebend erreichte und nicht bei einem der Foibe-Massaker ermordet wurde – bis zu 12000 Opfer werden geschätzt, hauptsächlich italienische Zivilisten, daneben Soldaten, Kollaborateure und solche, die dem Machtstreben der kommunistischen Partei im Wege standen. — Diese Vorgänge, die sich nicht so recht in den heroischen Gründungsmythos und in die offizielle Rhetorik von Titos Staat (und dessen Nachfolgern) einpassen lassen wollen, wurden über Jahrzehnte totgeschwiegen, so wie auch die Tatsache kaum je ins Bewußtsein drang, daß zwischen 1945 und dem Tod des Diktators die Etablierung und Sicherstellung seiner Herrschaft bis zu einer Million Menschen das Leben kostete.

Die Leidensgeschichte ist damit noch nicht zuende. Während des Kroatienkriegs (kroatisch Domovinski rat, »Heimatkrieg«), der mit seinen ethnischen Säuberungen, Massakern und anderen Kriegsverbrechen und der Vertreibung Hunderttausender zu den verstörendsten Ereignissen des ausgehenden 20. Jahrhunderts gehört, sah sich Zadar erneuten Kriegshandlungen ausgesetzt. Zwar lag die Stadt außerhalb der umkämpften Zone, der im Dezember 1991 ausgerufenen ›Republik Serbische Krajina‹, die, mehrheitlich von Serben bewohnt, etwa ein Drittel des von Kroatien beanspruchten Gebiets ausmachte, doch nur wenige Kilometer von dessen Grenze entfernt und wurde von der jugoslawischen Volksarmee aus der Luft und mit Artillerie angegriffen und mehr als ein Jahr lang belagert. Auch hier waren die Schäden beträchtlich.

Kroatischer Gefechtsstand bei Zadar während des Kroatienkriegs (Foto Meinrad Heck / edition zeitlupe)
Heute, gut zwanzig Jahre später, sind die Spuren restlos getilgt, und was immer an Ruinen sichtbar sein sollte, macht den Eindruck einer archäologischen Grabung und wird nicht mit den beiden letzten Kriegen in Zusammenhang gebracht. Die Stadt, zumindest der historische Kern auf der Halbinsel, ist sehr herausgeputzt, doch muß man zugeben, daß die neuen Gebäude, die große Teile der Altstadt einnehmen, in Struktur und Maßstäblichkeit ein angesichts des Ausmaßes der Zerstörung überraschend erfreuliches und unverkrampftes Bild abgeben und für eine vorbildhafte Tradition des Wiederaufbauens sprechen. — Die roten Warnschilder in der Umgebung der Stadt, Hinweise auf die noch nicht geräumten 61 Quadratkilometer Minenfelder im Norden und Osten von Zadar, entlang der nahen Grenze zu den ehemals serbisch kontrollierten Gebieten, beharren auf einer andersgearteten Präsenz.
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