Jean Bruel (*Bordeaux 1917, †Chilly-Mazarin 2003), der Gründer der Compagnie des Bateaux Mouches, die in Paris auf der Seine Rundfahrten für Touristen betreibt, hatte sein Geschäft 1950 mit dem Kauf eines für die Weltausstellung 1867 gebauten Passagierdampfers begonnen. [Das Alter des Fahrzeugs, 83 Jahre, vermag weniger zu erstaunen, wenn man bedenkt, daß die INO ihre 114 Jahre auf dem Buckel hat und sich noch immer wacker schlägt, auch in schwerer See.] Ein anderes Schiff, das auf der Weltausstellung zu sehen war, Furore gemacht und eine Goldmedaille erhalten hatte, war 1874 nach einer Kesselexlosion auf dem Rhein gesunken, die ›Hableány‹ (ungarisch für Meerjungfrau).
Ihr Erbauer, Ödön Graf Széchényi von Sárvár und Felsővidek (*Preßburg 1839, †Konstantinopel 1922), wurde von Napoléon III. (*Paris 1808, †Chislehurst 1873), der den Dampfer besucht hatte, zum Ritter der Ehrenlegion ernannt, seiner Verdienste um die Europäische Flußschiffahrt wegen – und wenn man auch nicht gerade behaupten kann, er sei ihr Erfinder gewesen, so war er doch ganz entscheidend an ihrer Förderung und Ausweitung beteiligt. Mit der ›Meerjungfrau‹, die in Budapest in seinem Auftrag gebaut worden war, hatte er eine lange Reise hinter sich, ein Abenteuer von julesverneschen Ausmaßen, als er am 18. Mai in Paris einlief, wo ihn Jules Verne (*Nantes 1828, †Amiens 1905) in Empfang nahm; die Seine hatte er über den Marne-Seitenkanal erreicht, diesen über den 1853 fertiggestellten Canal de la Marne au Rhin vom Straßburg aus. Davor war es den Main hinuntergegangen, der seit 1846 durch den Ludwig-Donau-Main-Kanal, den Vorläufer des Main-Donau-Kanals, mit der Donau verbunden war und so den Weg zu Wasser von Budapest bis Paris ermöglichte, zu einer Zeit, als sich etwa ein europäisches Eisenbahnnetz noch wie ferne Zukunftsmusik ausnahm. [Die INO, nebenbei bemerkt, teilt keinen geringen Teil des Wegs der ›Hableány‹: 1302 Kilometer zwischen Budapest und Mainz.] — Széchényi war eh ein Mann des zukunftsfreudigen 19. Jahrhunderts, Apologet des Fortschritts, Protagonist der Modernisierung und der Reformen. Noch bevor er sich der Dampfschiffahrt und der Förderung von Handel und Verkehr zuwandte, war sein Augenmerk auf das Feuerwehrwesen gerichtet – er hatte in London, wohin er 1862 als ungarischer Komissär für die Weltausstellung gekommen war, die dortige moderne Brandbekämpfung kennengelernt, sich zum Feuerwehrmann ausbilden lassen, ein Kommandantendiplom erworben und anschließend die ungarischen Feuerwehren aufgebaut. Fürderhin galt er als internationale Kapazität und erhielt im Jahre 1874 von Sultan Abdülaziz (*Istanbul 1830, †1876 ebd.) eine Einladung nach Istanbul, um das dortige Feuerwehrwesen nach europäischem Vorbild zu organisieren – ein gleichlautendes Angebot nach Japan lehnte er ab. Er blieb für den restlichen 50 Jahre seines Lebens in Istanbul, stieg im Osmanischen Reich bis in die höchsten Ränge auf, wurde zum Pascha ernannt, als erster Christ, der seinem Glauben nicht abschwören mußte.
Wir lassen seine sonstigen weitverzweigten Aktivitäten unerwähnt und verweisen lediglich noch auf seine musikalischen Interessen: Hier betätigte er sich als Komponist, nicht zuletzt zur Reklame für seine sonstigen Unternehmungen – so die ›Meerjungfrau-Polka‹ der Propagierung der Dampfschiffreise von 1867 (anzuhören bei spotify unter ›Hableány polka‹, gespielt von Istvan Kassai).