Die postkartentauglichste Ansicht der Bucht resp. des falschen Fjords bietet zweifellos die Klosterinsel Sveti Đorđe (St. Georg), erkennbar das Modell zu Böcklins Toteninsel, nebst der in unmittelbarer Nachbarschaft künstlich aufgeschütteten Friedhofsinsel Gospa od Škrpjela (Madonna dello Scarpello, Maria vom Felsen). So weit, so gut und schön, und so weltkultur- und naturerbetauglich, seit 1979, dem Jahr des großen Erdbebens, das auch hier einiges an Schäden mit sich brachte. Weshalb denn die Bucht auch gleich, noch im selben Jahr, auf die rote Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt wurde, aus Sorge um die Qualität der Wiederaufbaumaßnahmen. 2003 fand dann schließlich die Beseitigung und Bereinigung der Schäden die Billigung der UNESCO, und es stehen die bocche di Cattaro seither wieder unangefochten auf der so tourismusfördernden Liste – ohne Welterbeplakette kein Kreuzfahrtschiff.
Wobei man sich fragt, mit welcher Blindheit diese Organisation der Vereinten Nationen geschlagen ist, die sich die Förderung von Bildung und Kultur auf ihre blaue Fahne geschrieben hat. Denn ein Einschreiten wäre dringend nötig gewesen angesischts dessen, das sich in den letzten 15 Jahren an den Ufern breitgemacht hat – eine Zersiedelung von beeindruckendem Ausmaß, ein goldgräberartiger Wildwuchs, der um so erstaunlicher ist, als seine Folgen ja andernorts, an der italienischen Adriaküste etwa, seit langem deutlich sichtbar sind und die Erkenntnis seiner Fragwürdigkeit, ja Verwerflichkeit sich längst ihren Weg ins öffentliche Bewußtsein gebahnt hatte. Ein Interesse an solch ordnungs- und strukturlosem Bauwahn, der eigentlich eine Zerstörungswut ist, können ausschließlich Investoren haben, die nichts an den Ort bindet als die Absicht der Profitmaximierung, die keine Tradition, keine Geschichte und keine kulturellen Zusammenhänge, ja keinerlei Kultur kennen als eine des kurzfristigen Gewinns – die verbrannte Erde hinter sich lassen wie der Mongolensturm, der Kotor 1442 in Schutt und Asche gelegt hatte.
Keine Wohnungsnot wird mit diesen Bauten gelindert (was man allenfalls noch als Rechtfertigung durchgehen lassen könnte, wenn auch als eine fragwürdige) – keiner braucht solche gestaltlosen Mißgeburten, um darin zu wohnen, sie werden ausschließlich deshalb gebaut, weil sie sich verkaufen lassen, vielleicht auch, weil es für die Errichtung von Ferienwohnungen Fördermittel gibt (die Wege etwa der Weltbank sind stellenweise unerforschlich) – und weil die Korruption das ihrige dazutut. Von jedem nicht der individuellen Gewinnsucht verpflichteten Standpunkt aus betrachtet ist diese enthemmte Bauerei also sinnlos, ja widersinnig. Was durch sie zerstört wird, ist gewaltig und kaum zu bemessen. Après nous le déluge! scheint die Devise zu sein, der hier gefolgt wird – und fast wünschte man sich eine Sintflut, den ganzen Unrat einfach wegzuspülen.
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