Dem Elend des Unterlaufs der Donau – aufgegebene Städte, ruinöse Häuser, egal welchen Baujahrs, verrottende Zeugen untergegangener Industrien, Lethargie, Fatalismus, Phlegma, dumpfe Tristesse ohne Wehmut allerorten – wird gelegentlich ein weithin sichtbares Glanzlicht aufgesteckt, in Gestalt funkelnder, frisch poliert vergoldeter Kuppeln, Bekrönungen einer in strahlendem Weiß leuchtenden Kirche. Fast obszön nehmen sich diese herausgeputzten Gebilde aus inmitten all des monotonen Zerfalls, fremd, wie es die maßstabslosen Bauten des Ceaușescuregimes in den kleinen Städten gewesen sein mögen, die nun um sie herum untergegangen sind. Das Alter dieser Gebäude will sich nicht bestimmen lassen; weder Bauform noch Bautenzier geben einen verläßlichen Hinweis darauf, ob es sich um Renovierungen handelt, bei denen Altes zu einem ordinären Glanz ohne Zauber herausgeputzt wurde, oder um Neubauten, deren einziges Ziel es ist, überkommene Muster ambitionslos zu imitieren. In vielen Fällen dürfte es sich um letzteres handeln, wurde doch nach der Jahrtausendwende von der mit zunehmender Macht ausgestatteten orthodoxen Kirche in Rumänien nicht nur ein umfassendes Renovierungs- sondern auch ein ausgedehntes Neubauprogramm aufgelegt, finanziert, wie die Organisation insgesamt, auf großzügigste Weise vom rumänischen Staat, der ansonsten das Land in einem schier unfaßbaren Ausmaß verkommen läßt. Europa versagt hier an den Rändern.
Betrachtet man die neuen orthodoxen Kirchen aus der westeuropäischen Perspektive, so befremdet ihr fundamentalistischer architektonischer Konservatismus. Weder scheint eine innere Notwendigkeit zu bestehen, die eine Veränderung der Formen veranlaßte, noch werden die Möglichkeiten auch nur angedacht, die sich entwickelnde Materialien und Konstruktionen anbieten – neuere Techniken finden zwar Anwendung, doch haben sie keinerlei erkennbare Auswirkung auf Gestalt und Gestaltung.
Verschiedene Gründe lassen sich hierfür ins Feld führen. So ist offensichtlich der rumänisch-orthodoxen Kirche, zu der sich immerhin fast 90% der Bevölkerung bekennen, daran gelegen, Verläßlichkeit an den Tag zu legen und eine Kontinuität zu versprechen, die den Bogen über die düsteren Jahre des Sozialismus hinweg spannt und das heutige perspektivlose Rumänien an das Bild einer glaubensfesten Vergangenheit bindet. Bedenkt man die abgestandene Aufbruchsrhetorik des real existierenden Sozialismus, deren Diskrepanz zur Lebenswirklichkeit jeden Glauben an eine bessere Zukunft desavouieren mußte und die sich nicht zuletzt in teils recht merkwürdig zukunftsfroh sich gebenden, alles Überkommene negierenden, ja eliminierenden Bauvorhaben manifestierte, so wird deutlich, daß in der wiedererstarkten Kirche kein Platz für etwas sein kann, das auch nur im entferntesten nach Veränderung und Wagnis röche. Nicht zu unterschlagen ist hier, daß auch die Verheißungen der recht undurchsichtigen sogenannten Revolution von 1989, daß nämlich der Kapitalismus zu einem besseren Leben zu verhelfen im Stande wäre, sich als nicht weniger trügerisch erwiesen als die Glücksversprechungen des Sozialismus. Das bewährte eschatologische Heilsversprechen der Kirche hat beiden gegenüber den unbestreitbaren Vorzug, sich nicht an seiner Erfüllbakeit messen lassen zu müssen.
Einen anderen Aspekt zeigt der Blick auf die Ikonenmalerei. Auch sie kennt in ihrer Entwicklung über lange Zeiträume kaum eine Veränderung – allenfalls, daß im Laufe der Jahrhunderte das Statuarische, das sie in allen Aspekten kennzeichnet, seine ursprüngliche Kraft verlor und ins bloß Formelhafte abglitt, was ja auch für den Kirchenbau gesagt werden kann. Es läßt dies jedoch den Schluß zu, daß eben dieses akribische, fast ängstliche Beharren auf den kanonisierten Formen der orthodoxen Kirche eingeschrieben ist und so der aktuelle Kirchenbau in Rumänien aus zwei sich egänzenden Quellen gespeist wird, einer aktuellen und einer strukturellen. — Vielleicht läßt der allumfassende, geradezu aggresiv auftretende Fatalismus Rumäniens sich ohne einen Blick auf diese Konstellation nicht verstehen.