Nein, die erste war es genaugenommen nicht – die dürfte auf dem Neckar gewesen sein, auf einem der beiden Schiffe der Neckar-Personen-Schiffahrt Berta Epple, also entweder auf der Stuttgart oder auf der Dorothea Epple, die beide am 7. März 1957 in Dienst gestellt wurden und seither den Personenverkehr zwischen Stuttgart und Heilbronn bedienen. Doch war dies vor Jahrzehnten, als Kind und als Passagier.
Hier auf der Donau war das eine ganz andere Sache, am Kraftwerk Porțile de Fier 2, bei Kilometer 863,7. Schleusenunerfahren – zwar wohlgeübt im Meistern der Fährnisse des Meeres, doch unvertraut mit den technischen Finessen der Flußschiffahrt – hatten wir uns, in Theorie als auch, soweit eben möglich, in der Praxis, auf allerhand Zumutungen und Prüfungen gefaßt gemacht, zu diesem Zweck die allgemeinen und die spezifischen Schleusenhandbücher eingehenden Exegesen unterzogen und gemäß deren Anweisungen Passagierlisten ausgefüllt und Papiere und Patente zurechtgelegt, passend beflaggt, uns der richtige Seite des Flusses versichert (der Schleusenbetrieb, so war zu lesen, wechsele von Tag zu Tag zwischen der serbischen und der rumänischen Seite), Rettungswesten, Fender und Taue hergerichtet, die richtigen Handgriffe abgesprochen und uns auf den Umgang mit erwartungsgemäß unfreundlichen Obrigkeiten vorbereitet – all dies noch befeuert durch unsere vollkommene Unerfahrenheit im Schleusen, beziehungsweise Geschleustwerden.
Versuche, zwecks genauerer Anweisungen per Funk Kontakt aufzunehmen, scheiterten, das Funkgerät verharrte in enigmatischer Stille, und so blieb nichts, als uns auf eigene Gefahr langsam an die Schleuse heranzutasten. Das Tor, uns turmhoch überragend, war geschlossen, seine Flügel verharrten in stummer Reglosigkeit; kein anderes Fahrzeug war auf dem weiten Strom auszumachen, nicht ein Mensch zeigte sich in der uferlosen Anlage.
So machten wir also in einigem Abstand an einer bedrohlich hohen Betonwand fest, richteten uns auf ein langes, ungewisses Warten ein und kamen uns in unserem Kahn vor wie in einer Nußschale, Spielball stummer, unanrufbarer, gleichgültiger Mächte. Doch nach wenigen Minuten schon begannen, ohne daß es sich irgend angekündigt hätte, die ehernen Flügel der Schleusentore sich aufzutun, lautlos und unmerklich – beinahe wäre es uns entgangen.
Noch immer warteten wir vergebens auf Anweisungen. Als schließlich neben dem nunmehr weit geöffneten Tor ein grünes Licht aufflammte, beschlossen wir, die Sache zu wagen, in der Hoffnung, daß es jemanden geben würde, dem unser Vorhandensein nicht verborgen geblieben wäre.
Nach erfolgter Einfahrt ging dann alles rasch und reibungslos vonstatten. Die Erscheinung eines freundlichen Herrn hoch oben auf der Mauer der Schleusenkammer (die uns ungeheuer groß erschien), rief uns an, erkundigte sich nach der Herkunft unseres Schiffs, gab sich auch gleich mit der Nennung der Niederlande zufrieden und entschwand wieder, worauf sich binnen kurzem die Flügel des Tores schlossen, die Wasser im Becken zu steigen begannen und nach wenigen Augenblicken die Hebung beendet war. Bald auch gewährten uns Leuchtzeichen die Ausfahrt; wir setzten uns in Bewegung, verharrten jedoch, unvertraut mit den Gebräuchen und im Ungewissen, ob nicht vielleicht jetzt von uns die angekündigte Rechenschaft verlangt würde, noch ein wenig, machten uns dann aber alsbald gemächlich von dannen, verblüfft darob, wie unkompliziert und einfach sich die ganze Sache angelassen hatte.