Ein Exemplar von ungewöhnlicher Eleganz kam uns gestern unter die Augen – nicht, daß individuelle Kennzeichen für uns unterscheidbar wären – es lag die besondere Eleganz in der Position, oder soll ich sagen Haltung, in der das Tier reglos auf einer großen dunklen Platte lag, in einer komplizierten Arabeske von ausnehmender Schönheit – merkwürdigerweise aufs Genaueste eingezirkelt in ein weißes Rechteck von etwa 6 auf 12 Zentimetern, das auf der Platte angebracht oder aufgemalt war. (Solche sogenannten Siebdruckplatten finden sich hier in wahllosen Haufen, übriggeblieben von den Pontons, die Ferrari mit ihnen für die unterschiedlichsten Zwecke ausrüsten läßt.) Die eingeringelte, fast verschlungene Positur erschien uns ungewöhnlich, mehr einem Werk der Kunst ähnlich als eine der Natur der Eidechse angemessene Körperhaltung, auch irgendwie zu wenig angespannt, ohne die gewohnten Zeichen permanenter Fluchtbereitschaft, was sich sicherlich vor allem der Tatsache verdankte, daß der Kopf nicht wie gewohnt aufgereckt war, sondern flach an den weißen Grund geschmiegt. Ein Vexierspiel von Kunst und Natur schien sich hier zu offenbaren, wie bei Palissy, doch à rebours gewissermaßen, als ob die Natur sich die Kunst zum Vorbild genommen hätte.
Wir betrachteten das Tier längere Zeit aus der Distanz, ohne daß es irgend die geringste Bewegung gezeigt hätte. Auch als wir uns schließlich langsam näherten, verharrte es regungslos an seinem Ort, sodaß wir zunächst meinten, es sei tot, doch zeigte ein deutliches Pulsieren an seiner rechten Körperseite, daß das Herz schlug, und zwar heftig schlug, wie in Panik.
Das Rätsel löste sich rasch: Die weiße Fläche, auf die das Tier gebettet lag, stellte sich als ein Doppelklebeband heraus, mit dem zuvor irgendetwas auf der Platte befestigt gewesen war und auf die das Tier geraten sein mußte. Die elegant verschlungene Haltung war das Ergebnis der vergeblichen Versuche, sich vom klebrigen Untergrund zu befreien, und der entspannte Eindruck rührte von nichts anderem als der erbarmungslosen Fixierung.
Unsere Versuche, die Eidechse zu befreien, waren vergeblich. Zwar gelang es mit Mühe, das Band von der Platte zu lösen, doch blieb das Tier mit seinen filigranen Gliedern unauflösbar daran gefesselt – jeder Versuch, es zu befreien, hätte unweigerlich die grausamsten und notwendigerweise tödlichen Verletzungen mit sich gebracht. Keine andere Wahl blieb uns, als es totzuschlagen.
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