Sehr geehrter Herr Professor Eissenhauer,
die Umgestaltung des zentralen Raums der Gemäldegalerie förderte zweifellos Erfreuliches zutage, bemerkenswerte Kunstwerke, wie sie, wenn vielleicht auch nicht gerade von allererstem Rang, doch vielen Sammlungen zur Zierde gereichen würden und die nun, dem Dunkel der Magazine entrissen, tatsächlich in neuem Licht erstrahlen – wobei der Titel der Aktion, »In neuem Licht«, nicht ganz einer gewissen Fragwürdigkeit entbehrt, ist ja der Raum, zuvor von freundlichem Tageslicht durchflutet, nun mit einer etwas zähen Finsternis angefüllt, in der die Gemälde mittels eines recht klebrigen Kunstlichts an die blauen Wandverkleidungen geheftet sind. Doch mag solches den Gepflogenheiten entsprechen, und ich will deshalb nicht näher darauf eingehen, genauso wenig wie auf die Problematik der dem Brunnen entsteigenden, den Raum unverkennbar erfüllenden Chlordämpfe, deren Unschädlichkeit für die Kunstwerke indes wohl von den zuständigen Konservatoren und Restauratoren wird garantiert werden können.
Mein Anliegen gilt dem einen Kunstwerk in diesem Raum, das nicht in neuem Licht erstrahlt, ja dem ganz im Gegenteil nun jegliches Licht versagt wird, und das gerade dieser Versagung wegen seiner Existenzgrundlage beraubt wurde, nämlich der die erwähnten Chlordämpfe emittierenden Brunnenanlage, die Walter De Maria für diesen Raum schuf. Selbstverständlich steht es Ihnen frei, gleich vielen anderen dieses Kunstwerk für die eher minable Arbeit eines ansonsten zu Bedeutenderem befähigten Künstlers zu halten, keineswegs vom Rang etwa des lightning field oder des broken kilometer, doch gehörte, meine ich, ein solches Urteil in den Bereich persönlicher Vorlieben; in Ihrer Position als Direktor nicht nur der Gemäldegalerie obliegt Ihnen jenseits solcher Einschätzungen die Pflege der Ihnen anvertrauten Sammlung und der Bestände, unabhängig davon, welchen Stellenwert ein Kunstwerk in Ihrer persönlichen Werteskala haben mag. Wie Sie nun zu dieser Arbeit Walter De Marias stehen, weiß ich nicht, doch die Behandlung, die ihr im Zuge der Neugestaltung des Raums, für den sie geschaffen ist, zuteil wurde, legt den Schluß nahe, es handle sich nicht gerade um das Objekt Ihrer besonderen Wertschätzung. Dabei lohnte sich eine eingehende und etwas wohlwollendere Betrachtung durchaus, die davon ausgehen könnte, wie über ein komplexes Spiel mit den unterschiedlichsten Formen des Reflektierens etwa die grundlegende Frage nach der Wahrnehmung gestellt sein könnte, in durchaus vielschichtiger Weise, und wo daneben eine Bestimmung des Lichts als Substanz des Kunstwerks manifest wird – Sachverhalte, die durchaus das Zeug haben, das Zentrum einer der bedeutendsten Gemäldesammlungen nicht nur zu besetzen, sondern tatsächlich zu bilden. Daß dies ins Gewand eines Brunnens, also eines Werks der angewandten Kunst gekleidet ist, mag beim Erfinder der Konzeptkunst als eine Sache der Angemessenheit im Sinne des einzig an dieser Stelle möglichen zu sehen sein, wohl aber auch als eine Frage nach dem Wesen der hier ausgestellten Werke der alten Meister. Daß man, wenn man mag, eine späte Wendung des paragone finden kann, der vermittels des Verhältnisses von Wahrnehmung und Konzeption die Frage nach dem Kunstwerk und der Kunst an sich stellt, sei nur nebenbei bemerkt – eine Deutung des Brunnens als Kunstwerk will ich Berufeneren überlassen.
Walter De Marias Brunnen ist nun, man mag dies bedauern, auf eine Weise mit dem Gebäude der Gemäldegalerie verbunden, die seine Entfernung schwierig macht, ganz abgesehen von der Fragwürdigkeit eines solchen Unterfangens. Man kann daher nicht umhin, ihn als eine Gegebenheit des Baus zu verstehen, und es müßte daher eine Selbstverständlichkeit sein, mit ihm an dieser Stelle, an der er nun einmal ist, so zu verfahren, wie es sich einem Kunstwerk gegenüber geziemt – was zuvörderst heißen soll, daß unter Hintanstellung aller anderen Interessen sowohl für seine Erhaltung als auch für die bestmöglichen Bedingungen seiner Wahrnehmbarkeit Sorge zu tragen ist. Hier kann jedoch von solchem keinesfalls die Rede sein – auch der Vorwand des Temporären wird sich schwerlich zur Rechtfertigung heranziehen lassen.
Das Werk des Lichts zu berauben – ich erlaube mir, hier darauf hinzuweisen, daß der Künstler stets das Licht für seine Arbeiten minutiös geplant hat und daß für ihn die spezifische Art der Beleuchtung ein untrennbarer Teil der jeweiligen Arbeit war – das Werk also seines Lichts, in diesem Fall seines spezifischen Tageslichts zu berauben, das ja hier nicht anders denn als Stoff des Kunstwerks gesehen werden kann, kommt tatsächlich seiner Zerstörung wenn vielleicht auch nicht gleich, so doch erschreckend nahe. Da jedoch nicht zu erwarten ist, daß ein Appell, den ich in dieser Sache an Sie richten könnte, irgendwelche Konsequenzen nach sich zöge, will ich mich eines solchen enthalten und verbleibe
mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr
Prof. Dr. Fritz Barth