DER STAND DER DINGE – MAI 2017

Alles, so heißt es, sei im Fluß, und so ist auch bei uns das Eine und Andere nicht mehr, was oder wie es zu Anfang war. Allem voran der Zeitplan – der allerdings in weiser Vor­aussicht von vornherein weit und großzügig gefaßt war. Wie bei nahezu allen Großprojekten (und auch die Fahrt der INO entwickelt sich zunehmend zu einem solchen, insbesondere, was die Um- und Aufrüstung des Schiffs betrifft) zieht sich alles länger hin, als mit der gewohnten Zuversicht des Beginns angenommen. Vor allem sorgten zwei unerwartete größere technische Kalamitäten für erhebliche Verzögerungen: Zunächst erwies sich der alte Motor (Isotta Fraschini 1308 MH14, Baujahr 1985 oder früher – die Dokumentenlage ist da unklar –, ein Achtzylinder Diesel mit zwei Turboladern, 14,9 Litern Hubraum, einer Leistung von angeblich 196 Ps, beachtlichem Verbrauch und heftiger Lärmentwicklung) als so wenig zuverlässig, daß eine längere Fahrt mit ihm ein unverantwortbares Wagnis sein würde, und kaum war diese Nachricht verdaut, da zeigte sich, daß die Antriebswelle verbogen war, ihre Lager ausgeschlagen und die ganze Sache somit unbrauchbar. Neuer Motor also (Sechszylinder Reihenmotor FPT Iveco N60 ENT M40, 5,9 Liter Hubraum, 270 Ps, keine Schönheit zwar, aber verläßlich, wie wir hoffen, dazu mit deutlich geringerem Verbrauch und Gewicht) und eine neue Welle, deren Anfertigung und Einbau (Se.R.Navi – riparazioni navali, eine Firma, deren zuweilen etwas schwer nachvollziehbares Gebaren in deutlichem Gegensatz zu der dem Augenschein nach exzellenten Qualität ihrer Arbeit zu stehen scheint) alles in allem drei Monate in Anspruch nahm. Daß auch die Aufhängung des Ruders nicht mehr taugte und komplett erneuert werden mußte, nimmt sich dagegen recht harmlos aus. So unerfreulich sich dies alles gestaltete, brachte es indes in mancher Hinsicht eine willkommene Entspannung mit sich, standen so doch andere Arbeiten – Verlängerung der Kabine und Innenausbau – nicht mehr unter einem derart gnadenlosen Zeitdruck und müssen nicht mehr so sehr übers Knie gebrochen werden und lassen sich also nun mit der wünschenswerten Ruhe und gebotenen Sorgfalt ausführen.

Dies bedeutet nun, daß an eine Abfahrt aus Venedig vor Mitte Juni kaum zu denken sein kann. Auswirken wird sich dies nicht weiter auf die Unternehmung, ist das Projekt doch in keiner Weise an die Agenden der Biennalen, documenten und sonstiger Veranstaltungen gebunden und nicht darauf an- oder ausgelegt, diese events und ihre Orte zu betrachten, sondern die Strecken und Räume dazwischen auszuloten. – Allenfalls wird es gegen Ende der Fahrt ein wenig kalt werden auf den deutschen Kanälen.

Etwas anderes mag sich nachhaltiger auswirken: Jan-Ruben Degenhart, Mitstreiter von den ersten Anfängen an, mit dem zusammen Friedrich Barth das gesamte INOprojekt aus der Taufe hob, es ausarbeitete und durchführte und der ihm während der Jahre der Vorbereitung durch all die vielen Höhen und Tiefen treu zur Seite stand, wird nicht länger mit von der Partie sein. Das Ausscheiden vollzieht sich dankenswerterweise so reibungslos, daß sich keine gravierenden Schwierigkeiten abzeichnen, geschweige, daß die Unternehmung gar insgesamt infrage gestellt wäre.

An dieser Stelle sei Jan für seinen Einsatz und sein Engagement einmal von ganzem Herzen gedankt.