EIN BRIEF UND DIE ANTWORT DARAUF

Sehr geehrte Herren,

Ihr Schreiben zum paneuropäischen Kulturprojekt haben wir erhalten. Eine finanzielle Beteiligung können wir Ihnen nicht bieten, aber da ihr Slogan im englischen Teil so sehr ins Auge sticht, möchten wir zumindest hier ein wenig (hoffentlich) konstruktive Kritik beitragen. Wollen Sie wirklich »Looting Europe« sagen? D.h., zu Deutsch »Europa ausplündern«? Falls Sie auf der Suche nach einer englischen Übersetzung für »Europa ausloten« sind, würde ich hier eher »Sounding Europe« empfehlen.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg mit Ihrem Projekt.

Freundliche Grüße / Best regards
B.G.

 

Sehr geehrte Frau G.,

mit Dank nehmen wir Ihr Schreiben und Ihre Anregung zur Kenntnis. Zwar wäre uns mit der versagten materiellen Unterstützung wohl mehr geholfen gewesen, doch weist Ihre Kritik in der Tat auf einen uns bisher entgangenen und zweifellos wunden Punkt bei der Vermittlung unseres Projekts hin. Sie haben recht: die Verwendung des Begriffs looting im Zusammenhang mit unserer Unternehmung ist unbedingt zu überdenken und ggfs. zu korrigieren. Denn tatsächlich hatten wir es bisher kaum für möglich gehalten, daß unsere ironische, vielleicht gar sarkastische Pointe mißverstanden werden könnte, hatten wir doch gedacht, daß spätestens, seit Arno Schmidt in ›Zettels Traum‹ seine
Etymtheorie niederlegte und aufs Virtuoseste mit dem flexiblen Hinübergleiten vom Deutschen ins Englische spielte – und überhaupt mit zunehmender Vertrautheit mit der englischen Sprache –Wortspiele dieser Art gang und gäbe und daher eher Anlaß zu augenzwinkerndem Einverständnis als zu Fehlschlüssen seien. Der Witz – wir sehen uns gezwungen, ihn hier zu erklären und ihm damit zwangsläufig den Garaus zu machen – liegt genau in der Differenz oder besser Interferenz der Bedeutung der beiden homophonen, indes etymologisch in etwas ungenauer Beziehung zueinander stehenden Begriffe. Zwischen dem anachronistischen Idealismus interesselosen Wohlgefallens und der sarkastischen Realität habgieriger Ausplünderung, also zwischen ausloten und looting, spannt sich das Feld auf, in dem die Unternehmung der INO angesiedelt ist. Kaum etwas anderes also könnte unser Vorhaben so auf den Punkt bringen, wie dieses polyglotte Wortspiel – dessen Mißverständlichkeit von Ihnen so deutlich zutage gebracht wurde. Wir werden uns da wohl etwas anderes einfallen lassen müssen.

Mit nochmaligem herzlichem Dank und freundlichen Grüßen
Friedrich Barth und Jan-Ruben Degenhart

 

Im Falle von Schwierigkeiten beim Verständnis dieses Textes wende man sich an die ›Forschungsstelle Leichte Sprache‹ der Universität Hildesheim (https://www.uni-hildesheim.de/leichtesprache/).