Unerwarteter Besuch wurde uns gestern zuteil: Zwei nicht mehr junge Damen standen am Kai, musterten die INO mit unverhohlener Anteilnahme und baten, an Bord gelassen zu werden. Die eine der beiden hatte beständig mit den Tränen zu kämpfen; sie war die Geliebte des verstorbenen vorigen Eigners gewesen, hatte ihm, von dem sie als ein Genie sprach, während dreier Jahre geholfen, das Schiff um- und auszubauen und es gemeinsam mit ihm bewohnt. Seit längerem schon habe sie unser Tun verfolgt und nun, da wir kurz vor dem Aufbruch stünden, ihren Mut zusammengenommen und sei hierher gefahren, um einen letzten Blick auf die ›1905‹, als welche sie die INO kannte, zu werfen – und um Abschied zu nehmen (was sie so nicht sagte). Mehrfach bedankte sie sich, daß wir ihr den Zugang gewährt hätten; das Schiff böte nun, nach unserem Umbau, einen maritimen Eindruck, wogegen es früher eher wohnlich gewesen sei. Insbesondere erwähnte sie in diesen Zusammenhang den Kachelofen, den sie beide gemeinsam auf einer Messe gefunden hätten. Kein Zeichen von Unmut ob der Radikalität unserer Eingriffe in ihre Vergangenheit war hinter ihrer freundlichen Resignation zu erkennen.
Die Geliebte
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