JACK

Den kahlen Baum vor dem verlassenen Bürogebäude, das uns gerade als Unterkunft dient – es sind von hier keine 50 Schritte bis zur INO, und es bietet einen etwas campingartigen Komfort –, hat sich ein Fasan zur Wohnung erkoren, dem eine Freundin auf Besuch den Namen Jack Brösel gegeben hat, nach seinen Ernährungsgewohnheiten. Er kommt mit Einbruch der Dunkelheit und sucht sich einen Ast aus (eine gewisse Abwechslung scheint er hier zu schätzen), den er dann bis zum Morgengrauen nicht mehr verläßt, ein regloser schwarzer Klumpen. Wird er gestört, hört man ihn beleidigt schimpfen, doch haben wir es nie erlebt, daß er nachts weggeflogen wäre. Bricht der Tag an, hört man ihn seine wenig differenzierten Rufe ausstoßen; er stolziert dann ein Weilchen im Gras umher, wobei er den Eindruck eines bedächtigen alten Mannes beim Tautreten macht, schaut auch noch für ein paar Minuten von der langen Mauer, die das Areal auf der Landseite umgrenzt, in die Welt und fliegt dann davon – das Fliegen ist allem Anschein nach nicht seine Leidenschaft. Tagsüber sieht man ihn gelegentlich auf den Industriebrachen oder entlang der Wege, niemals aber in irgendwelchen ernsthaften Tätigkeiten begriffen. Seine gelegentlichen Gesänge, regelmäßige Wiederholungen des einzigen Lauts, der ihm zur Verfügung zu stehen scheint, nahmen wir zunächst für den Ausdruck seiner einsamen Sehnsucht, doch sichteten wir ihn in den letzten Tagen regelmäßig in der Gesellschaft zweier Fasaninnen. Ganz so verlassen scheint er also nicht zu sein. [fb]