Alvis

Wer zwischen der Schleuse Iffezheim (km 335,92) und der Spyck’schen Fähre (km 857,40, einem ehemaligen Eisenbahntrajekt, das zwischen 1865 und 1912 in Betrieb war und das deutsche und das niederländische Schienennetz verband) zu Schiff den Rhein befahren will, braucht ein spezielles Patent – das nicht ohne Mühen zu erwerben ist, bedarf es doch neben einer erfolgreich abgelegten theoretischen Prüfung auch des Nachweises der Streckenkenntnis, wozu ein achtmaliges Befahren des Stromes in beiden Richtungen bescheinigt werden muß. Wer ein solches Patent nicht besitzt – wie wir auf der INO –, der muß einen Kapitän engagieren. „Alvis“ weiterlesen

Jürgen Riegel, gondoliere zu Bamberg

Wer in der Bamberger Altstadt über eine der zahlreichen Brücken geht, hat gute Chancen, einem venezianischen Fremdling zu begegnen, einer echten Gondel nämlich, die man als Tourist buchen kann, um sich durch das sogenannte Klein-Venedig schaukeln zu lassen, für 120 Euro die Stunde – deutlich günstiger als in der serenissima, wo an die 350 hingeblättert werden müssen. Den remo führt Jürgen Riegel, der auf recht ungewöhnliche Weise zu seiner Tätigkeit kam, wie er uns am Stammtisch im Schäuferla, wo wir mit ihm zusammensaßen, bereitwillig berichtete. „Jürgen Riegel, gondoliere zu Bamberg“ weiterlesen

DER KAPITÄN DER DANUBIUS

In Orschowa, dem vielleicht trostlosesten Ort an der ganzen Donau, eine halbe Stunde oberhalb der Donaustaustufe ›Eisernes Tor 1‹ gelegen, machten wir die Bekanntschaft eines jungen Mannes, der sich auf ein Leben als Donaukapitän vorbereitet. Eigentlich könnte man ihn schon jetzt so nennen, ist er doch der căpitan der Danubius, eines kleinen Dampfers (vapor auf rumänisch), der im Sommer Touristen auf kurze Ausflugsfahrten zu der Handvoll von Sehenswürdigkeiten mitnimmt, die das Ufer des gestauten Stroms säumen: neben den Naturschönheiten das Kloster Mraconia, die unlängst fertiggestellte Rekonstruktion einer im Stausee untergegangenen Rekonstruktion der Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts, dann die aus den Fluten gerettete und ans neuentstandene Ufer versetzte tabula traiana, sowie den riesenhaften und außerordentlich häßlichen Kopf Decebels, des letzten Königs der Daker, in den Fels gehauen im Auftrag Iosif Constantin Dragans, den seine etwas zweifelhaften Geschäfte zum reichsten Mann Rumäniens gemacht hatten und der als Historiker dilettierte und in zahlreichen Schriften den Protochronismus propagierte, eine krude nationalistische Geschichtsauffassung, die sowohl von Ceauşescu favorisiert wurde als auch nach dessen Fall und Ende von rechtsnationalistischen Kreisen.

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Drei Männer im Hafenamt

Foto HG Merz

Schiffer, führt dein Weg nach Delphi dich über Itea, so wirst du am Abend, nachdem du dein Schiff an der Kaimauer sicher vertäut hast, deine Schritte zur Hafenmeisterei lenken, wo in einem Gebäude, das wie die ganze Hafenanlage von großen, längst versandeten Hoffnungen spricht, drei ältere Männer dich schon erwarten. Deiner Sprache werden sie so wenig mächtig sein, wie du der ihrigen, und so werdet ihr euch gezwungen sehen, die Konversation in einem etwas eingeschränkten Englisch zu führen. Während der umständlichen Rituale einer Bürokratie, an deren Sinn niemand zu glauben scheint, wirst du nicht umhin kommen, die zwei Gemälde an der Wand hinter den alten Schreibtischen zu bemerken, und es wird dir nicht entgehen, daß die dort geschilderten Seeschlachten mit ihren heftigen Kanonaden im vorletzten Jahrhundert stattgefunden haben müssen.
Auch wird das geringe Talent des Malers dir kaum verborgen bleiben. „Drei Männer im Hafenamt“ weiterlesen

Gilberto Penzo

Als Friedrich zum ersten Mal seinen Laden in San Polo aufsuchte, vor nunmehr vier Jahren, um ihn zu fragen, wie man am besten an ein vaporetto kommen könne, nahm Penzo ihn nicht besonders ernst – was man ihm nicht verdenken kann, sieht er sich doch beständig mit den dümmsten nur vorstellbaren Fragen konfrontiert, etwa, ob es sich bei den gläsernen Fischerkugeln in seinem Schaufenster um altertümliche Fender handele – was er bejaht, und auch die Frage, wann Venedig denn schließe, wird ihm regelmäßig gestellt – was ihn empört, wie ganz allgemein das Benehmen der Touristen und der Verfall der Sitten und der Niedergang des Benehmens. Er konnte oder wollte Friedrich also nicht weiterhelfen, verkaufte ihm jedoch immerhin einen Plansatz der Serie 80, von der zwischen 1974 und 1988 37 Exemplare gebaut wurden. Eines davon hätten wir damals gerne gehabt.

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Sandro

Sandro, ein meist gutgelaunter vielbeschäftigter Mann, den wir auf Mitte 50 schätzen, schwer, doch beweglich genug für seine Arbeit in den unzugänglichsten und engsten Winkeln, ist elettricista, Spezialist für die Elektrifizierung von Schiffen, Yachten hauptsächlich. „Sandro“ weiterlesen

Die Frau von nebenan

Die Heftigkeit des diesjährigen Frühlingsausbruchs zeigt sich hier im Hafen auf vielfältige Weise – der vertrocknete Lorbeer, der in seinen Plastikkübeln den Weg zum Showroom der Arti Veneziane (Murano glassware, jewellery, lace and mask making – they also build gondolas) wenn nicht ziert, so doch faßt, will uns etwas weniger trostlos scheinen, die Enten haben ihre undurchsichtigen Paarungsrituale hinter sich, der wachsende Hormondruck der vitelloni zeigt sich an der Lautstärke sowohl ihrer Außenbordmotoren als auch ihrer überdimensionierten Musikanlagen – wobei ›Musik‹ zumeist ein rechter Euphemismus ist für das, womit sie die Welt beglücken –, und die Pakistani in Creas Werft machen fleißig Überstunden, um die über den Winter hier in den alten Hallen in riesigen Regalen eingemotteten Boote wieder sommerfest zu machen. Auch die größeren Schiffe im Hafenbecken werden allmählich unruhig, und schon zeigen sich die ersten Besitzer und winken.

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CREA,

ein gedrungener, grauhaariger Mann, der nur selten einen Gruß erwidert, und auch dann meist unwirsch, betreibt hier auf der Giudecca einen Handwerksbetrieb, eine Bootsbauwerkstatt, spezialisiert auf sorgfältig gefertigte, schnörkellose elegante Holzboote, der Tradition und keinesfalls den Kapriolen des Zeitgeschmacks verpflichtet. „CREA,“ weiterlesen

MARIETTO

Marietto beklagt sich, daß kein Bild von ihm auf unserer Website zu finden sei, und mit Recht: Keiner, Davide ausgenommen (der sich in gelegentlichen Anfällen lautstark und wortreich über Marietto ausläßt, auch regelrecht ausfällig wird, sich jedoch immer alsbald wieder beruhigt), ist so lange tätig mit von der Partie gewesen wie er. Subtilitäten scheinen seine Sache nicht zu sein – sein Metier ist eher das Gröbere. Dabei ist er ausgesprochen hilfsbereit. „MARIETTO“ weiterlesen

SIMONE

Simone, ein Mann an der Schwelle zum Alter, mit ein wenig aufgedunsenem Gesicht und undeutlichen Zügen, der im Augenblick damit beschäftigt ist, den Rumpf der INO zur Vorbereitung des Anstrichs mit Sandpapier zu schleifen, erzählt, er habe als einziger von vier Brüdern nicht studieren dürfen, sein Bestimmung jedoch immer als Oenologe gesehen. „SIMONE“ weiterlesen

FERRARI

Die Venezianer, so wird gelegentlich und nicht ohne Wehmut berichtet, seien einst als die höflichsten Menschen Italiens, wenn nicht gar auf der ganzen Welt bekannt gewesen. Viel sei davon nicht mehr übrig, was einerseits mit dem Verfall der Sitten im Gefolge des alles erdrückenden Tourismus „FERRARI“ weiterlesen

JACK

Den kahlen Baum vor dem verlassenen Bürogebäude, das uns gerade als Unterkunft dient – es sind von hier keine 50 Schritte bis zur INO, und es bietet einen etwas campingartigen Komfort –, hat sich ein Fasan zur Wohnung erkoren, dem eine Freundin auf Besuch den Namen Jack Brösel gegeben hat, nach seinen Ernährungsgewohnheiten. „JACK“ weiterlesen