Ein Grund – oder der Grund, nach Mali Lošinj, früher Lussinpiccolo, auch Klein-Lötzing, als die Adria noch gut österreichisch war, zu kommen, einem im übrigen nicht unhübschen Städtchen, das etwas Industrie vorweisen kann, jedoch hauptsächlich vom Tourismus lebt, mit allen Folgen, ist der Apoxyomenos, die hellenistische Bronzekopie eines verlorenen Originals aus dem 4. Jh., einen nackten Athleten darstellend, der sich nach dem Wettkampf Schweiß, Staub und Öl von der Haut schabt – die Seife war in der Antike zwar schon erfunden, wurde jedoch nur als Medizin und nicht zur Reinigung gebraucht (wir hätten sonst vielleicht andere Plastiken). Der bronzene Jüngling wurde 1996 unweit der Insel Lošinj zufällig von einem belgischen Taucher entdeckt, in 45 m Tiefe, drei Jahre später geborgen und langwierig restauriert. Er wurde danach für ein paar Jahre auf Reisen geschickt, als eine Art Botschafter Kroatiens, um schließlich 2016 sein eigenes Museum zu beziehen, ein schmuck renoviertes, als ›Kvarner-Palast‹ bezeichnetes Haus am Hafenbecken von besagtem Klein-Lötzing. Museum und Figur werden stark beworben, erhoffen Stadt und Insel sich doch eine Hebung des Tourismus, und sollen nun neben Badegästen und Seglern auch die Reisenden in Sachen Kultur auf ihre Rechnung kommen. »Mali Lošinj und Kroatien«, so heißt es, »können sich nunmehr unter die wichtigsten touristischen Standorte mit reichem Kulturerbe und kulturellem Angebot einreihen.« Hier ist eine patriotische oder chauvinistische Komponente nicht fern, wird doch der Jüngling, dessen Beziehung zum Ort aus wenig anderem besteht, als hier vor knapp 2000 Jahren im Sturm über Bord geworfen worden zu sein, nun zum Sinnbild einer nationalen kulturellen Identität ausgerufen, wo doch einzig die Berufung auf einen übergreifenden antiken Kulturraum angemessen wäre.