Francesco di Giorgio Martini. Eine Empörung
Eines der liebsten Kunstwerke in Venedig ist mir, seit ich sie zum ersten Mal sah, immer Francesco di Giorgio Martinis Kreuzabnahme in Santa Maria del Carmine gewesen, gleich mir ein Fremdling in Venedig, der hier ein etwas eigenbrötlerisches Dasein fristet. Wie vieles andere in der Stadt verdankt die Bronzeplatte ihr Hiersein einem Raubzug, doch ungleich etwa dem Leichnam des hl. Markus, den Tetrarchen oder der Quadriga ist sie nicht ins Gewebe der Stadt eingefügt, nicht in das rhetorische Geflecht des Selbstverständnisses und der Repräsentation vereinnahmt worden.
Berliner Intermezzo. Ein Brief an den Generaldirektor der Staatlichen Museen in Sachen Walter De Maria
Sehr geehrter Herr Professor Eissenhauer,
die Umgestaltung des zentralen Raums der Gemäldegalerie förderte zweifellos Erfreuliches zutage, bemerkenswerte Kunstwerke, wie sie, wenn vielleicht auch nicht gerade von allererstem Rang, doch vielen Sammlungen zur Zierde gereichen würden und die nun, dem Dunkel der Magazine entrissen, tatsächlich in neuem Licht erstrahlen – wobei der Titel der Aktion, »In neuem Licht«, nicht ganz einer gewissen Fragwürdigkeit entbehrt, ist ja der Raum, zuvor von freundlichem Tageslicht durchflutet, nun mit einer etwas zähen Finsternis angefüllt, in der die Gemälde mittels eines recht klebrigen Kunstlichts an die blauen Wandverkleidungen geheftet sind. Doch mag solches den Gepflogenheiten entsprechen, und ich will deshalb nicht näher darauf eingehen, genauso wenig wie auf die Problematik der dem Brunnen entsteigenden, den Raum unverkennbar erfüllenden Chlordämpfe, deren Unschädlichkeit für die Kunstwerke indes wohl von den zuständigen Konservatoren und Restauratoren wird garantiert werden können.