Spätestens seit Prousts Beschreibung der Kirche von Combray im 1913 erschienenen ersten Band der Recherche können wir uns den Raum der Architektur als einen vierdimensionalen denken, seine drei überkommenen Dimensionen erweitert um eine vierte, die der Zeit. Proust hat jedoch nicht in erster Linie die Architektur im Sinn – er läßt ein vieldimensionales Bild entstehen, das der Erzählende aus seiner Kindheit her im Gedächtnis hat und in dem sich individuelle und kollektive Erinnerung verweben. Kunst- und Kulturgeschichte, Geschichte überhaupt; die Kirche der Kindheit mit ihren Gräbern, Tapisserien und Glasfenstern, ihren Spuren von Zeit und Verfall, ihren Schichten und Überlagerungen entbirgt Frühestes, nicht individuell Erinnerbares. Ferne und fernste Vergangenheit wird beschworen, Mittelalter, selbst pagane Tradition – er geht zum Platz der Familie in der Kirche »wie durch ein von Feen bewohntes Tal, in dem der Landmann mit Staunen an einem Felsen, einem Baum, einem Teich die noch greifbare Spur ihres geisterhaften gelegentlichen Erscheinens erkennt«.
„Architektur als Zeitreise: Der denkwürdige Eklektizismus der Handelskammer in Mantua“ weiterlesen