Linzer Granit

Beim sechzigjährigen Jubiläum der Nibelungenbrücke in Linz, die zwischen 1938 und 1940 unter verlustreichem Einsatz von Zwangsarbeitern errichtet wurde, habe er, erzählte uns ein Besucher, den seine sympathische Neugierde an Bord der INO geführt hatte – er war in der Nähe am Lande, wie es in Österreich heißt, wohnhaft und für einige Tage in die Stadt gekommen – einen älteren Mann beobachtet, der sich auf der Brücke niedergebeugt und unter Anzeichen der Rührung mit der Hand über die Granitplatten des Belags gestrichen habe.
In den Jahren 1987/88 wurde am Münchener Königsplatz der Belag aus zwanzigtausend Granitplatten entfernt und durch eine etwas unentschlossene, ja eigentlich falsche Rekonstruktion des Zustands vor den Eingriffen der Dreißigerjahre ersetzt – Platten, die unter entsetzlichen Leiden von KZ-Insassen geschlagen worden waren.

In der Albertina. Eine Wiener Schmähung

Klaus Albrecht Schröder, seit 1999 Direktor der Albertina, gab nicht nur einst in öffentlicher Rede von sich, der Hemmschuh seines Hauses seien dessen Bestände von mehr als einer Million graphischer Blätter – eine doch sehr bemerkenswerte Aussage für den Leiter der wohl bedeutendsten aller Graphischen Sammlungen –, er steht auch wie kein anderer für einen signifikanten, ja tatsächlich revolutionären Wandel des Verständnisses vom Original, oder genauer: einer kopernikanischen Wende im Verhältnis von Original und Reproduktion. Dies hat, wie könnte es anders sein, zumindest mittelbar mit der Digitaslisierung und der mit ihr verbundenen Ausweitung der Manipulationsmöglichkeiten der Bilder zu tun. Grundsätzlich, so denkt man sich, habe es das Ziel der Reproduktion zu sein, dem Original so nahe zu kommen, wie die technischen Möglichkeiten es erlauben. Der Einspruch, daß hier, bedingt durch die Technik, unweigerlich ästhetische Entscheidungen getroffen werden müssen, ist nicht von der Hand zu weisen, doch geht es uns nicht um das Ergebnis, sondern um Absicht und Legitimation. „In der Albertina. Eine Wiener Schmähung“ weiterlesen