Lärm

Eine Nacht in der Einfahrt zur Marina in Jesolo, festgemacht neben den großen bilancie, den Senknetzen der Fischer, unweit des Leuchtturms, was alles sich recht romantisch anhört – eine solche Nacht also gibt einem einen Vorgeschmack auf die Vorhölle, oder auf schlimmeres. Vis-à-vis der Idylle nämlich hat sich eine Stranddiskothek eingenistet, die während der sechs Stunden vor Mitternacht einen ganz unfaßbaren Lärm produziert. Und wäre nicht schon die schiere Lautstärke Grund genug für eine Anzeige wegen Körperverletzung, so gesellt sich noch die tatsächlich unermeßliche Niveaulosigkeit der Musik hinzu, die nicht anders denn für eine schwerwiegende Beleidigung genommen werden kann. Um einen Eindruck von dem zu ermitteln, das sich hier Musik nennt: Keine Melodik ist auszumachen, auch keine Rhythmik, noch gar ist etwas zu erkennen, das an Akkordfolgen etwa im Sinne einer Kadenz auch nur leise erinnern würde – belämmert und behämmert wird der Zuhörer mit nichts als endlosen Wiederholungen kleinster entwicklungsloser Fragmente, denen allenfalls hin und wieder durch einfallslose technische Griffe eine Art von Kippbildeffekt übergestülpt wird. Nicht anders verhält es sich mit dem, was einstens einmal als Text bezeichnet wurde: Mehr als drei Worte scheinen die Kapazität von Discjockey wie Publikum zu übersteigen, doch werden diese drei dafür stets mehrere hundert Male wiederholt. – Mag hier keiner sich verleiten lassen, zaghaft seinen Zeigefinger zu erheben und leise »minimal music« zu rufen: Um solches geht es beim besten Willen nicht.

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