Serbien und Rumänien, oder Zahlen und Augenschein

Schärfer, prononcierter könnte eine Trennlinie nicht sein, als die Donau zwischen Serbien und Rumänien – als schiede sie zwei Kontinente, zwei Welten. Wechselt man vom östlichen, rumänischen Ufer hinüber zum serbischen westlichen, so erscheint die kurze Strecke der Stromquerung fast wie ein wässriger Läuterungsweg, der einen aus dem Labyrinth der Trostlosigkeit, der Agonie und des allumfassenden Verfalls führt – womit der dantesken Anklänge allerdings auch schon genug sein muß, denn ein Paradies ist Serbien wahrlich nicht. Es soll hier jedoch nicht die Rede sein von den finsteren Zügen und Geschehnissen der jüngeren Geschichte, auch nicht von den unverkennbaren Manifestationen eines institutionalisierten Chauvinismus (keiner der zahlreichen Hinweise auf historische Gegebenheiten, mit denen sich der Reisende konfrontiert sieht, der nicht einen nationalistischen Heroismus und die Fiktion eines Großserbien beschwörte), auch nicht vom widerwärtigen serbischen Ultranationalismus, der einen schaudern macht und allem gegenüber mißtrauisch – gehandelt sei hier lediglich von der nächstliegenden der vielen hintereinander geschichteten und sich durchdringenden Oberflächen, als die die Welt sich präsentiert, der der unmittelbaren Wahrnehmung.

„Serbien und Rumänien, oder Zahlen und Augenschein“ weiterlesen

Orșova, oder ein hilfloser Versuch über die Trostlosigkeit

Hilflos angesichts ihres Allumfassenden, ihres Ungemilderten, Zeitlosen – nichts kann vor ihr gewesen sein, nichts wird nach ihr kommen: Sie ist ein in unteilbarer Einheit verharrendes Ewiges, und leicht ließe sich sagen, man fühle sich hier, wollte man denn einem Hang zum Sarkasmus freien Lauf lassen, vom Hauch des Erhabenen gestreift. „Orșova, oder ein hilfloser Versuch über die Trostlosigkeit“ weiterlesen

Meine erste Schleuse

Nein, die erste war es genaugenommen nicht – die dürfte auf dem Neckar gewesen sein, auf einem der beiden Schiffe der Neckar-Personen-Schiffahrt Berta Epple, also entweder auf der Stuttgart oder auf der Dorothea Epple, die beide am 7. März 1957 in Dienst gestellt wurden und seither den Personenverkehr zwischen Stuttgart und Heilbronn bedienen. Doch war dies vor Jahrzehnten, als Kind und als Passagier.

„Meine erste Schleuse“ weiterlesen

Brücken der Freundschaft

›Brücken der Freundschaft‹ gibt es eine beachtliche Anzahl, und man fragt sich, wie groß der Anteil an Euphemismus sein mag, der in den einzelnen Fällen dem Bauwerk zur Namensgebung verhalf, und man mag sich auch fragen, ob das Verbindende, das einer Brücke ja grundsätzlich eignet, nicht schon den Kern des Freundlichen, ja Freundschaftlichen in sich birgt und sich eine ›Freundschaftsbrücke‹ somit als ein Pleonasmus erweisen würde. Denn wer hätte ob solch hochgestimmter Brückenmetapher je auf eine Benennung wie etwa ›Brücke der Zwietracht‹ verfallen können?
Nicht lange ist es her, daß wir unter einer solchen ›Brücke der Freundschaft‹ hindurchfuhren, und um der Vollständigkeit der Erfahrung einige Tage später auch noch darüber, jenes mit der INO, dieses im Taxi. Es ist hier die Rede von der Brücke, die zwischen Giurgiu und Ruse, dem uns als Rustschuk besser bekannten Geburtsort Canettis, die Donau überspannt und auf hunderte von Kilometern die einzige Straßenverbindung zwischen Rumänien und Bulgarien herstellt.

„Brücken der Freundschaft“ weiterlesen