Sprichwort
Neues vom Innenausbau
DIE BIBLIOTHEK DER INO
In seinem 1960 erschienenen Roman KAFF auch Mare Crisium läßt Arno Schmidt den Protagonisten während eines Besuchs auf dem Lande seiner Freundin eine Geschichte aus der nahem Zukunft ezählen, die in guter Tradition der utopisch-satirischen Literatur auf dem Mond spielt. Hier gibt es zwei Kolonien, eine sowjetische und eine US-amerikanische, die untereinander in einem groteskem Kalten Krieg stehen, was um so absurder ist, als auf der Erde infolge eines Atomkriegs alles Leben ausgelöscht und die Menschheit also auf die zwei Grüppchen der Mondkolonisten reduziert ist. Mehr schlecht als recht kann man hier überleben, wobei es den Russen ein wenig besser zu gehen scheint als den Amerikanern, aus deren Perspektive erzählt wird. Die Möglichkeiten der Kultur unter diesen Bedingungen der technisch hochgerüsteten, aber insgesamt erbärmlichen Existenz ist eines der Themen der Erzählung, und hier geht es selbstverständlich auch um Literatur und um die beiden konkurrierenden Bibliotheken. „DIE BIBLIOTHEK DER INO“ weiterlesen
L’INO com’era
grazie a Gilberto Penzo (www.veniceboats.com)
UNLÄNGST, IM FORTE MARGHERA,
einer von den Habsburgern angelegten Festung am Rand der Lagune, wo sich heute ein buntes Künstlerleben abspielt, trafen wir eine Studentin des Tourismus, die sich mit der Behauptung hervortat, vaporetti seien zu Anfang auch für den militärischen Einsatz konzipiert gewesen und somit eigentlich Kriegsschiffe. (Möglicherweise hatte sie davon gehört, daß einige von ihnen während der beiden Weltkriege für Transportzwecke requiriert worden waren.) Unsere Erwiderung, das tauge uns gut, sei doch die INO in Wirklichkeit nichts weniger als das Flagschiff der venezianischden Flotte, unsere geplante Fahrt in Wahrheit nur der Deckmantel für eine vorläufig noch geheime militärische Mission, eine großangelegte Offensive zur Befreiung Konstantinopels aus den Händen der Ungläubigen, quittierte sie mit kaum verhohlener Empörung, verließ auch alsbald die Runde. [fb]
Marghera & Venedig
BRIEF AN DEN KÜNSTLER LORENZO QUINN
Lieber Lorenzo Quinn,
HEIMAT IM TRANSIT
I. 18 Jahre lang, von 1988 bis 2006, lebte der Iraner Mehran Karimi Nasseri auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle, nachdem ihm auf der Reise von Frankreich nach England die Papiere gestohlen worden waren, Großbritannien ihn daher nach Paris zurückschickte, wo man ihm aber die Einreise verweigerte. „HEIMAT IM TRANSIT“ weiterlesen
Umbau 2
Moore, Row gently here
DER ANSTIEG DES LAGUNENSPIEGELS
wird wohl nicht zum Untergang Venedigs führen. Die Freude über diese Nachricht ist jedoch verfrüht: Für die Zerstörung der Stadt muß man keine globalen Ursachen bemühen – die Region selbst stellt alles, was es braucht, im Überfluß zur Verfügung. Betrachtet man die sich rasant beschleunigenden Einbußen an der Substanz während der letzten Jahrzehnte, ja Jahre, so besteht Grund zur Annahme, die Stadt werde, noch bevor sie die Chance zum Versinken bekommt, verrottet, zernichtet und buchstäblich zerfallen sein. Zwei Substanzen ist dies zu verdanken: HNO3 und H2SO4 – Salpetersäure und Schwefelsäure also. Zerfrißt diese den Marmor, so läßt jene die Ziegelsteine zerbröckeln.
Essen im Hafen
WHAT DO YOU SEE WHEN YOU TURN OUT THE LIGHT
Der 25. März war einer der zahllosen, in den letzten Jahren inflationär angestiegenen Aktionstage, wie sie in aller Regel ausgerufen werden, um uns moralisch oder wirtschaftlich oder moralisch und wirtschaftlich unter Druck zu setzen. Der Gedenk- und Aktionstagsstau ist inzwischen so groß geworden, daß, wie bei den Heiligen, sich oft ein ganzes Rudel einen einzigen der unglücklicherweise auf die Zahl von 365 beschränkten Tage des Jahres teilen muß – der berechtigten Anliegen sind halt gar viele. „WHAT DO YOU SEE WHEN YOU TURN OUT THE LIGHT“ weiterlesen